Abschrift.

Bundesministerium für soziale Verwaltung

Sekt. IV – Abt. 21

zu Zl. 37.974-21/58 (Josefine Deutsch)

Niederschrift

vom 17. Sept. 1953

Es erscheint über Vorladung Herr Ernst Kolm, geb. am 7.1.1892, wohnhaft in Wien II., Czerningasse 6/20, ausgewiesen durch I-Karte L 7676/46 und gibt mit dem Sachverhalt vertraut gemacht, über Vorhalt der §§ 49 und 50 AVG. nachstehendes bekannt:

Ich wurde von Brunner I als Transportleiter für den 1. „Nisko“-Transport bestimmt und ging mit diesem am 20.10.1939 von Wien-Aspangbahnhof ab. Der Transport selbst stand unter SS- und Schupo-Bewachung und traf am 23. Oktober 4 Uhr früh in Nisko a/San ein. 2 Tage vor uns war bereits der erste Transport (aus Mährisch-Ostrau) in Nisko a/San eingelangt. Im ganzen kamen noch ein Prager, ein Wiener und ein Mährisch-Ostrauer Transport, dies innerhalb von einer Woche.

In Nisko a/San war die Bahnstation. Von dort wurden wir über den San (infolge der gesprengten Brücke mußten wir ihn stellenweise durchwaten) in das Lager gebracht. Das Lager befand sich auf einer sumpfigen Wiese ungefähr 2/3 km von der Ortschaft Zarzecze entfernt.

Das SS-Kommando war in Nisko a/San stationiert. Im Lager (genannt Lager Zarzecze) befand sich das SS-Lagerkommando. Das Nisko-Kommando stand unter der Leitung des Oberscharführers Dannecker, das Lagerkommando unter Befehl des Hauptsturmbannführers Post.

Ursprünglich stand im Lager nur eine einzige Baracke, die von der SS-Bewachungsmannschaft benützt wurde. Aus diesem Grunde wurden einige Arbeitskommandos in der Umgebung zur Holzgewinnung eingesetzt. Sobald jedoch die Lagerarbeiten beendet waren, wurden diese Kommandos aufgelassen. Meines Wissens bestand kein weiteres Lager; unter der schon damals und auch jetzt gebräuchlichen Bezeichnung Lager Nisko war stets das Lager Zarzecze zu verstehen.

Überraschend wurden wir dann am 12. April 1940 einwaggoniert und zum Teil (darunter auch ich) nach Wien zurückgeführt. Ankunft in Wien-Nordbahnhof 13. April 1940. Damals wurde das Lager zur Gänze geräumt. Es hieß, daß es für polnische Juden freigemacht wurde.

Vor mir: V.g.g.:

Amtsvermerk.

Der Zeuge macht einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Überdies decken sich seine Angaben mit den bereits vorhandenen Unterlagen. So finden sich im Katalog des International Tracing Service, Band I, S. 333, folgende Vermerke: Zarzecze, Pow. Nisko, Poland, forced labour camp, 800 Jews, Nov. 1939 bis Apr. 1940.