Im Sommer 1939 wurden im Auftrag der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, Wien IV. Prinz Eugenstrasse bei der Wiener Kultusgemeinde Registrierungen der in Wien lebenden Juden durchgeführt. - Auf Grund eines Aufrufes hatten sich die Wiener Juden, in alphabethischer Folge, an hierzu bestimmten Tagen im Gebäude der Kultusgemeinde einzufinden und es wurde dort eine genaue Aufnahme der eigenen Personalien, als auch der der Familienangehörigen vorgenommen. -
Im Oktober 1939 erhielten nun eine grosse Anzahl Wiener Juden und zwar durchwegs Männer die Verständigung seitens der Wiener Kultusgemeinde, dass sie laut behördlichem Auftrag zur Umsiedlung bestimmt sind und zur Entgegennahme von Weisungen sich zu der in der Vorladung bestimmten Zeit in der Kultusgemeinde einzufinden haben, wobei das Nichterscheinen unter Strafe gestellt war. -
Die Erschienenen wurden belehrt, dass sie zu einem sogenannten „Umsiedlungsransport“ eingeteilt sind, der nach Polen geht, wo ihnen in einer von der polnischen Zivilbevölkerung verlassenen Gegend, Haus und Hof zugewiesen wird und dass dann später die Familienangehörigen angefordert und nachgeschickt werden. - Die zu diesen Transporten Eingeteilten wurden von einer ärztlichen Untersuchungskommission unter Leitung des H. Med. Rates Löwenstein untersucht und fast durchwegs als transportfähig befunden. -
Bei der Einteilung zu den Transporten wurde auf bereits in Händen befindliche Ausreisemöglichkeiten (Affidavits usw.), sowie auf bestehende Mischehen u.s.w. keinerlei Rücksicht genommen. -
Den Transportteilnehmern wurde noch bekanntgegeben, dass sie Gepäck im Umfang von 50 kg und Bargeld bis zu RM 300.- frei mitnehmen können. -
Es wurden noch Transportleiter und Waggonleiter bestimmt, die dahin belehrt wurden, dass sich an Ort und Stelle bereits Funktionäre der Wiener Kultusgemeinde befinden, die die Transporte erwarten und in die Quartiere führen werden. -
Es gingen auf diese Weise von Wien zwei Transporte ab und zwar
am 20. Oktober 1939 der erste mit 912 Mann und
am 23. Oktober 1939 der zweite mit 669 Mann
insgesamt 1581 Mann
wobei die Anzahl der Teilnehmer des zweiten Transportes nicht ganz genau angegeben werden kann. (Die Anzahl des ersten Transportes mit 912 Mann stimmt auf Grund der verfügbaren Transportlisten, während vom zweiten Transport nur unvollständiges Material vorhanden ist) -
Die Abfertigung dieser beiden Transporte erfolgte an den obangeführten Tagen am Aspangbahnhof unter Bewachung der SS und jedem Transport war ein Zug Wiener Schutzpolizei mitgegeben. In jedem Waggon machte ein Polizist mit Waffe Dienst. -
Ein dritter Transport wurde inzwischen bereits als gemischter Transport, also auch Frauen und Kinder, zusammengestellt und in Wien Gänsbachergasse lagermässig kaserniert, kam jedoch nicht zum Abtransport. -
Beide Transporte, also der erste und zweite Transport wurden über Lundenburg-Prerau-Mähr. Ostrau-Krakau nach NISKO am San geleitet und dort auswaggoniert. - Der erste Transport kam am 23., der zweite am 26. Oktober 1939 in dieser Station an. -
An Stelle von Funktionären der Wiener Kultusgemeinde erwartete SS unter Kommando des Oberscharführers Dannecker (Vertreter des SS-Hauptsturmführer Eichmann) die Transporte.
Während der Fahrt, die natürlich unter strengster Bewachung der begleitenden Polizei stand, wurde den Transportleitern Auftrag erteilt:
1. Alle Gelder von den Transportteilnehmern einzuheben und mit einer genauen Liste dem Transportkommando zu melden,
2. alle Personaldokumente in hierzu zur Verfügung gestellte Umschläge zu geben und auf jedem Umschlag Name des Transportteilnehmers zu setzen und diese Belege dem Transportkommando zu übergeben.—
Zu Punkt 1. wird erklärt, dass im Sinne der in Wien erteilten Instruktionen ein Umtausch der Reichsmark in Zloty zu einem Kurs 1 zu 2 erfolgen wird. - Dieser Umtausch wurde beim 1. Transport nicht in diesem Sinne durchgeführt. Das ganze Geld wurde Oberscharführer Dannecker abgeliefert und zwar RM 1Note 1 : Anzahl hier und bei der nächsten Anführung von RM nicht eingetragen der hierfür eine Quote von Zloty 150.- pro Transportteilnehmer, ohne Rücksicht auf den tatsächlich von dem einzelnen Teilnehmer abgegebenen Betrag bestimmte.— Beim 1. Transport ging demnach ein Betrag von RM nicht zur Umwechslung, der laut Erklärung d. Oberscharführer D. zur Deckung der Transportkosten beim SS-Kommando verblieben ist. - Beim 2. Transport soll die Umwechslung weisungsgemäss erfolgt sein. -
Zu Punkt 2 wird erklärt, dass durch die Abnahme der Personaldokumente die Transportler keinerlei Ausweispapiere mehr bei sich hatten. -
Die Auswaggonierung vollzog sich derart, dass gruppenweise immer drei Waggons
Die Weiterleitung erfolgte über den damals hoch angeschwollenen San nach Zarzecze, wo auf einer sumpfigen Anhöhe, zum San abhängend, bereits einige Tage vorher (am 20. Oktober 1939) der erste Transport von Juden aus Mährisch Ostrau, gleichfalls nur Männer, eingetroffen war.— Bei diesem Transport befanden sich die Funktionäre aus Wien und zwar Dr. Murmelstein, Dr. Grün, Boschan, Edelmann, Feldmann, waren aber nicht zu sehen. -
Auf dieser Anhöhe wurde bereits mit der Errichtung von Notbaracken durch die Mähr. Ostrauer Teilnehmer gearbeitet, wobei bemerkt wird, dass dieser Transport aus 1000 Mann bestand, jedoch nur mehr ca. 400 im zu errichtenden Lager anwesend waren. -
Die Teilnehmer der beiden Wiener Transporte wurden jedoch nicht ins Lager geführt, sondern entlang des Lagers auf der Landstrasse weiter geführt, wobei durch das Lager SS-Kommando (Sturmbannführer Post) von beiden Transporten 198 Mann zurückbehalten wurden.— Alle anderen Teilnehmer wurden in Gruppen weitergeführt, auf einer Wiese, ca. 6 km nördlich des Lagers, zwischen Klyzow und Pysznica, aufgestellt, mussten den Fuhrleuten, durchwegs Polen, zwischen Zloty 10 und 20.- für die Gepäckbeförderung bezahlen und erhielten dann den Auftrag sofort weiterzumarschieren. Innerhalb zweier Stunden darf niemand mehr in der Gegend angetroffen werden, wobei sowohl seitens der SS-Eskorte, als auch seitens der Polizeimannschaft durch Abgabe von Schüssen Nachdruck verliehen wurde. -
Die Folge war, dass die Leute
Hierzu wird bemerkt, dass vom ersten Wiener Transport, nach durchgeführter Verjagung der Transportteilnehmer über 400 herrenlose Gepäckstücke in das Lager Zarzecze zurückgeführt wurden und dem SS-Lagerkommando übergeben werden mussten.— Beim zweiten Wiener Transport war das Gepäck in Güterwaggons verladen, die Transportteilnehmer wurden zum allergrössten Teil ohne ihr Gepäck davongejagt und das Gepäck verblieb beim SS-Kommando in Nisko.—
Unter Berücksichtigung, dass von beiden Wiener Transporten nur 198 Teilnehmer im Lager Zarzecze zurückbehalten wurden, sind die restlichen Teilnehmer und zwar 1383 Menschen zum überwiegenden Teil ohne ihr Gepäck als Freiwild weitergewandert, wiederholt von der Landbevölkerung überfallen und beraubt und haben den einzig ihnen offenstehenden Weg genommen, nämlich über die Grenze nach Russland zu gehen.
Sie kamen mit mehr oder weniger beschwerlichen Umständen über die Grenze und hielten sich meistens in den grösseren und kleineren Städten des ehemaligen Galiziens auf (Lemberg, Tarnopol, Stanislau, u.s.w.), wo sie zum Teil Arbeit fanden und durch ca. 6 Monate unbehelligt leben konnten.-
Im Sommer 1940 erfolgte seitens der russ. Behörden eine Registrierung unter folgenden Umständen:
1. Option für Russland, als russ. Staatsbürger
2. Rückkehr
3. Ausland.
Ein geringer Teil hat die Optionserklärung abgegeben. -
Die Mehrheit meldete sich für eine Rückkehr, mit der Begründung Familienangehörige zurückgelassen zu haben, mit denen sie ja zusammensein wollen, wenige auch zur Ausreise ins Ausland, soweit sie Ausreisemöglichkeiten, (Affidavits, usw.) hatten. -
Die Optanten wurden nach und nach in irgend einer Form in Dienst gestellt.-
Alle anderen, die sich zu Punkt 2 und 3 gemeldet hatten, wurden zu Transporten zusammengestellt, meistens in der Nacht eingeholt, und in das Tiefe des Landes, weit nach Osten, zum grössten Teil nach Sibirien in Arbeitslager unter Aufsicht der NKWD abtransportiert.-
Die Arbeit in diesen Lagern war eine ungemein schwere und der Grossteil der Menschen dieser Arbeit physisch nicht gewachsen. -
Die Motive für die Angabe bei der Registrierung laut Punkt 2 und 3 wurden jedoch so ausgelegt, dass diese Menschen als „sozial gefährliche Elemente“ behandelt wurden, für
Von den 1383 Menschen sind bis heute
22 Personen
nach Wien zurückgekehrt. - Es sind also noch
1361 Wiener
ohne Berücksichtigung der sicherlich seit 1939 erfolgten Todesfälle, in Russland. - Von einigen sind die Anschriften bereits bekannt. -
Die 22 Rückkehrer aus den beiden Wiener Transporten fordern nun für sich und für alle noch Zurückkehrenden aus diesen Transporten, die gleiche Behandlung und Einstellung, wie wenn sie effektiv in einem Konzentrationslager gewesen wären. - Sie waren effektiv vom Jahre 1939 bis 1946 in einem Lager. - Sie sind auch nicht als einfache Emigranten zu behandeln, da sie nicht freiwillig über die Grenze gingen, sondern zwangsweise abtransportiert wurden. -
Von diesen 22 Personen sind bereits 2Note 2 : Anzahl hier und bei der nächsten Anführung von Personen unleserlich Personen durch Anhaltungen in Konzentrationslagern vor ihrer Deportierung nach Nisko bereits Mitglieder des KZ-Verbandes, so dass nur für den Rest von Personen die Aufnahme in den KZ-Verband gefordert wird. -
Die 22 Rückkehrer fordern aber auch, dass sofort die nötigen Schritte unternommen werden, dass
1. über die noch restlichen 1361 Wiener Nachforschungen in Russland eingeleitet werden und
2. alles vorgekehrt wird, dass die sofortige Entlassung der noch in Russland befindlichen Ueberlebenden dieser beiden Transporte und deren Rückkehr nach Wien durchgeführt wird. -
Auf Grund der vorhandenen Aufzeichnungen kann eine Namensliste zu diesem Zwecke beigestellt werden. -