Deutsch-Przemysl, 2. Jänner 1940

 

An die Israelitische Kultusgemeinde

Zu Handen des Herrn Dr. Löwenherz

Wien I

 

Gestatten Sie mir, dass ich im Namen von 21 Kameraden, mich in einigen für uns lebenswichtigen Fragen an Sie wende und Sie bitte, mir diese umgehend zu beantworten.

Vorausschicken möchte ich, dass ich hier als von der Gestapo eingesetzter Ältestenrat fungiere und zwar über die hier ansässigen und zugewanderten Juden. Dies jedoch nur zu meiner Legitimierung.

Von den hier zugewanderten 37 Wienern, die durchwegs mit dem 2. Transport nach Polen kamen, befinden sich derzeit nur mehr 21 hier. Dies sind zum Grossteil kranke und ältere Leute.

Die Situation war für uns bereits unhaltbar geworden, da wir sämtlicher Mittel und unseres Gepäcks verlustig waren. In diese verzweifelte Situation platzte nun die Nachricht von den an Herrn Prof. Eisler gesandten Zl 4000.- durch die IKG Wien. Ich fuhr hierauf mit Bewilligung und Schutz der Gestapo nach Nisko und wurde dort mit besonderer Liebenswürdigkeit empfangen. Herr Prof. Eisler hatte die Güte alto der Wiener Sendung mir einen Betrag von Zl 600.- auszufolgen, den ich nach Massgabe der Notwendigkeit hier verteile.

 

Dieser Betrag schützt uns für etwa 15 Tage vor dem Hunger, da wir bei den hohen Mietpreisen täglich, für ein Strohlager oder ein Bett für 2, 19 Zl zu entrichten haben. Wir hoffen mit dem im Summa uns zukommenden Betrag ca 1 Monat aushalten zu können.

Die bange Frage ist nun: Was dann?

Sie wissen sicher, dass wir in den 2 Monaten unserer Polenfahrt grosse Strapazen und riesige Entbehrungen zu ertragen hatten.

Da wir trotz unseres Wegseins, uns, so wie die Ostrauer und Kattowitzer Kollegen an ihrer, zur Wiener K.G. verbunden fühlen, bitten wir Sie uns, so wie es auch die Ostrauer und Kattowitzer K.G. praktiziert, als zu Ihnen gehörig zu betrachten.

In diesem Sinne bitten wir Sie nun, um Beantwortung folgender Fragen:

1.)   Besteht die Möglichkeit, dass Sie wegen Rückgabe der uns in Ostrau abgenommenen Dokumente intervenieren?

2.)   Interessiert sich die K.G. um die Beschaffung einer Ausreisemöglichkeit für die in Polen wartenden Wiener Juden?

3.)   Ist es der K.G., so wie es die Ostrauer und Kattowitzer K.G. praktiziert, möglich, uns bis zur Ausreise den Lebensunterhalt zu gewähren?

4.)   Besteht die Möglichkeit, dass die K.G. eine Bewilligung zur Hersendung von in Wien zurückgelassenen Kleider und Wäschestücken einiger Kollegen, erhält?

Herr Prof. Eisler hat mir, da er die desolaten Zustände unserer Bekleidung kennt, in einigen Tagen Wäschestücke aus dem Lager Sarceze zugesagt. Schuhe, die wir bei der abnormen Kälte dringend benötigen, da unsere durch die langen Märsche kaputt sind, sind nicht vorhanden. Ebenso Ohrenschützer und Fäustlinge. Letztere sind hier auch käuflich nicht zu erwerben.

Ich bitte Sie nun eine Anzahl von Schuhen, es wären dringend 14 Paare erforderlich, ebenso 21 Paar Ohrenschützer und 21 Paar Fäustlinge zu spenden.

Diese Sachen müssten bis 13. ds in Ostrau sein, da zu dieser Zeit einer der Herren ins Lager kommt, um derartige Gegenstände der Ostrauer K.G. zu überbringen.

Ferner bitte ich Sie um eine event. Transferierung meiner Gruppe in das Lager zu intervenieren.

Ich habe über all diese Dinge mit Herrn Prof. Eisler gesprochen, der mir natürlich nur Ratschläge erteilen konnte.

Unsere Situation hier ist sicher sehr prekär, ich bitte Sie daher zu unserer Orientierung und Beruhigung um umgehende Beantwortung meiner Fragen und Erledigung meiner Bitten.

Mit Schalom

Ihr ergebener

Erich John

Deutsch-Przemysl, Ul. 3, majo 7 bei Löw

Wiener Adresse: 14. Brudermanngasse 6

  

Er wären erforderlich an Schuhen:

 

3 Paare No 40

4 Paare No 41

2 Paare No 42

2 Paare No 43

2 Paare No 44

1 Paar No 39