Die Teilnehmer des ersten und zweiten Wiener Transportes haben ihre Dokumente während der Reise an das Transportkommando abgegeben und dieselben bis jetzt nicht zurückerhalten. Unsere Rückfrage, sowohl hier, als auch in Nisko nach dem Verbleib der Dokumente ist bisher resultatlos geblieben und es wurde mir von einem der Wiener Lagerinsassen mitgeteilt, dass nach seinen Informationen die Dokumente wieder zurück nach Wien geschickt worden sind.

Ich bitte Sie daher die Angelegenheit zu untersuchen und uns mitzuteilen, wo sich die Dokumente befinden; sind sie wirklich in Wien, würde ich dieselben dann für die hier befindlichen Wiener ansprechen.

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir Ihnen folgendes mitzuteilen:

Ich hatte die Genugtuung, gestern, am Vorabend des Chanuka-Festes, den Ostrauer Insassen des Lagers 2 sehr herzliche Briefe der M. Ostrauer Kultusgemeinde vorzulesen und dadurch zur Hebung der Festesfreude beizutragen, ganz zu schweigen von den Liebesgaben, die zufällig am gleichen Tage zur Verteilung gelangen konnten, – selbstverständlich genau so an die Wiener, wie an die M. Ostrauer.

Ich weiss, dass die Wiener Kultusgemeinde und auch die Angehörigen der hiesigen Wiener heute nicht in der Lage sind, materiell dasselbe zu leisten, wie die Kultusgemeinden des Protektorats und es werden daher – wie bereits erwähnt – die Wiener in Verpflegung und Ausrüstung in keiner Weise von uns den Ostrauer Leuten gegenüber zurückgesetzt.1Note 1: Im Gegensatz zur Jüdischen Gemeinde Wien, durfte die die Jüdische Gemeinde in Ostrava (Mährisch Ostrau) die Deportierten mit Lebensmitteln unterstützen.

Gerade deswegen aber wäre es gut, wenn die Leute das Gefühl hätten, wenigstens moralisch von den in der Heimat Verbliebenen nicht vergessen zu sein; dazu wäre bloss notwendig, dass Sie ab und zu ein paar herzliche Worte an die jüdische Lagerleitung richten würden; ich würde mit besonderer Freude den Angehörigen der Wiener Kultusgemeinde solche Grüsse verdolmetschen.

Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass dies bis jetzt nicht geschehen ist und ich hier die sehr undankbare Aufgabe auf mich nehmen muss, die Wiener Kultusgemeinde den hiesigen Lagerinsassen gegenüber in Schutz zu nehmen. Die nicht besonders gute Stimmung der Wiener ist nicht zuletzt auf dieses Verhalten der Wiener Kultusgemeinde zurückzuführen.

Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich meiner Ueberzeugung offen Ausdruck gebe, es geschieht dies im Interesse Ihrer Angehörigen.

Beste Grüße

Schalom

Für die jüdische Lagerleitung:

Eisler