An das Präsiudium der Isr. Kultusgemeinde Wien
Wir erlauben uns dem löbl. Präsidium eine Bitte zu unterbreiten und dieselbe durch folgende Ausführungen zu unterstützen.
Wir befanden uns wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit als Pfleglinge der Gemeinde Wien im Versorgungshaus Lainz, von wo wir als Juden im Dezember v. J. in das Städt. Dauerheim, Wien X. überstellt wurden und wo wir uns bis 26. Okt. 1939 befanden.
Im Zuge der Umsiedlungs-Aktion wurden wir am 26. Okt. mit einem Auto aus der geschlossenen Fürsorge geholt, zur I.K. begleitet, wo wir zu unserem Erstaunen das schier Unmögliche erfuhren, daß wir in den Polen-Transport, der noch am selben Tag abgeht, eingereiht sind.
Nach Erfüllung der Formalitäten (Pass, Photogr. etc.) blieb uns kaum noch Zeit, unsere Effekten zu holen, geschweige von unseren Angehörigen, die heute noch um unser Schicksal bangen, Abschied zu nehmen.
Das Zehrgeld von RM 15, das wir von der I.K. erhielten, war bald erledigt da wir, nachdem wir kaum gehfähig, die nicht unbeträchtlichen Spesen für uns u. das Gepäck hievon bestreiten mußten.
Wir stehen nun seit längerer Zeit hier blank [da] und wir halten es für überflüssig, die Lage, in der wir uns befinden, näher zu skizzieren.
In Kenntnis dessen, daß eine Überweisung von Geld im Wege der I.K. möglich ist, richten wir an Sie die dringende Bitte, durch umgehende Überweisung des Höchstbetrages an jeden der Unterzeichneten helfend einzugreifen. Die erbetene Unterstützung ist umso dringlicher, als wir von unseren Angehörigen, die unter den gegebenen Verhältnissen selbst in Notlage sind, eine Hilfe in dieser Hinsicht nicht erwarten können.
Wir hoffen, daß Sie unserer Lage Verständnis entgegenbringen und durch Erfüllung unserer Bitte die Verbundenheit zum Ausdruck bringen.
Im vorhinein danken
Josef Goldschmidt, geb. 18. Nov. 1889, Wien
Julius Fischel, geb. 10. Mai 1883, Wien
Heinrich Robitscher, geb. 19. Febr. 1884, Wien
per Zentralstelle für jüd. Umsiedlung Nisko a/San, Piszanica, Polen